ver.di ist betrieblich nicht alleine unterwegs: In vielen Betrieben und Verwaltungen tummeln sich konkurrierende Verbände und Organisationen.
Handlungsansatz-Konkurrenzorganisationen PDF-Datei
- konkrete Erfahrungen im Bereich Süd-Ost-Niedersachsen in mehreren Fachbereichen
- Auseinandersetzungen mit Entwicklungen im Bereich der kollektiven Interessensvertretung aus DGB- und aus ver.di-Perspektive (einschl. der Beobachtung der – überschaubaren – Literatur zum Thema)
- den Ergebnissen oder besser Erkenntnissen eines Bildungsurlaubes mit ver.di-Aktiven aus der Bereichen Peine und Salzgitter, die vor Ort im kommunalen Bereich die Auseinandersetzung im kommunalen Bereich führen (Frühjahr 2015)
- den Erkenntnissen einer Betriebs- und Personalrätetagung zum Thema im Herbst 2015 in der Goseriede
Das Problem
ver.di ist betrieblich nicht alleine unterwegs: In vielen Betrieben und Verwaltungen tummeln sich konkurrierende Verbände / Organisationen / Gewerkschaften – auf die korrekte Bezeichnung kommt es nicht unbedingt an.
Eine – unvollständige – Aufzählung (ohne Gewerkschaften im DGB):
- DBB (Deutscher Beamtenbund)
- komba
- GeNi – Gesundheitsgewerkschaft Niedersachsen
- DHV – Die Berufsgewerkschaft
- Straßenwärterverband (Fachgewerkschaft der Straßen- und Verkehrsbeschäftigten
VERBAND DEUTSCHER STRASSENWÄRTER, Betriebsdienst, Technik und Verwaltung
im öffentlichen und privaten Straßenwesen e.V.) - Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit
- GdS – Gewerkschaft der Sozialversicherung
- vbba – Gewerkschaft Arbeit und Soziales
- Feuerwehrverband
- Deutsche Steuergewerkschaft
- DPV (DPVKOM) DBBV
Zum Teil handelt es dabei um Organisationen des Beamtenbundes, zum Teil um Verbände, die sich dem CGB (Christlichen Gewerkschaftsbund) angeschlossen haben bzw. durch ihn gegründet wurden, z.T. sind es eigenständige Verbände.
Alleine der Deutsche Beamtenbund zählt 43 „Mitgliedsgewerkschaften“. Der CGB zählt 14 „Einzelgewerkschaften“.
Die Mehrheit kann kaum als Gewerkschaft im ursprünglichen Sinne des Wortes bezeichnet werden, eine Tariffähigkeit ist selten gegeben, eine Handlungsfähigkeit im Sinne von Arbeitskampffähigkeit ist häufig nur lokal wahrzunehmen.
Diese Verbände sind zum Teil durchaus erfolgreich: Sie gewinnen Personal- bzw. –Betriebsratswahlen oder erreichen dort z.T. beachtliche Ergebnisse, sie gewinnen Mitglieder, sie mischen mit bei betrieblichen Auseinandersetzungen.
Welche Sektoren sind besonders betroffen (subjektive Eindrücke):
- Kreis- und Stadtverwaltungen
- Feuerwehr
- Agentur für Arbeit, Jobcenter
- Renten- und Krankenversicherung
- Kliniken
Diese Entwicklungen machen uns betrieblich durchaus ernsthaft zu schaffen:
- sie kosten uns Mitglieder – es gibt Austritte
- sie verringern die möglichen Eintritte
- sie erschweren uns den Zugang zu Nichtorganisierten – wir sind in einer Konkurrenzsituation (und dabei keineswegs immer führend)
- sie kosten uns Plätze in Betriebs- und Personalräten (einschl. Vorsitz und Freistellungen)
- sie erschweren die betriebliche Interessensvertretung (Arbeitgeber spielen uns gegeneinander aus, unsere Konkurrenten kuscheln oder kungeln manchmal gerne mit den Arbeitgebern, gemeinsame Strategien lassen sich kaum entwickeln…)
- sie behindern Arbeitskampfstrategien
- vereinzelt schließen sie Tarifverträge in Bereichen ab, in denen wir die Zuständigkeit von ver.di reklamieren
- sie unterlaufen die Motivation und das Engagement unserer Kollegen/innen in den Betrieben
- unsere Bildungsarbeit wird beeinträchtigt (durch konsensuale Inhouse-Schulungen, durch den Verzicht auf die Teilnahme an Schulungen)
Eine Analyse der Entwicklung in den Betriebs- und Personalräten in Niedersachsen-Bremen ist mir nicht bekannt. Jetzt nach Durchführung der PR-Wahlen wäre sicher ein guter Zeitpunkt, zumindest für diesen Bereich eine realistische Bestandsaufnahme vorzunehmen und mögliche Trends zu analysieren.
Was unterscheidet ver.di von den konkurrierenden Verbänden:
- vergleichsweise hohe Hauptamtlichkeit
- Rechtsberatung und Rechtsschutz in ver.di-Hand (bzw. DGB) – die Konkurrenz beauftragt Anwälte
- gesellschaftspolitische Agenda (Gleichberechtigung, gegen Rassismus und Rechtsextremismus, gegen TTIP, für Steuergerechtigkeit, gegen Hartz IV und und und…)
- Bildungsarbeit in unserer Hand
- breite Publikationskultur (Mitgliederzeitung, Fachbereichsbeilagen, Broschüren, Flugblätter, Erklärungen, Unterschriftensammlungen, Foliensätze, Websites, Filme…)
Was führt dazu, dass konkurrierende Verbände Erfolge in „unseren“ Branchen haben:
Materiell:
- Höhe des Mitgliedsbeitrages (0,5 – 0,7 % vom Brutto)
- Werbeprämien (Gutscheine über 25 Euro)
- weitere materielle Anreize: Giveaways, Gimmicks, Fanartikel (Schal, Mütze, Weste…), Grillen, Suppe oder Kuchen spendieren…
- Trittbrettfahrerei: aufwändige Leistungen (Tarifarbeit, Bildungsarbeit, Kampagnen, gerichtliche Erfolge etc.) erzielt ver.di – reklamiert die Konkurrenz aber für sich
Ideologisch:
- gegen Großorganisationen („der Mensch steht im Mittelpunkt“)
- gegen zu viel Politik, für angebliche Ideologiefreiheit
- für Betriebsnähe und betriebliche Interessensvertretung
- Verzicht auf gesellschaftpolitische Positionierungen (Anschlussfähigkeit nach rechts)
- für Mitgliedernähe durch Ehrenamtlichkeit vor Ort
Charismatisch:
- Charisma (oder hohe persönliche Akzeptanz, oder Führungsqualitäten…) der Akteure vor Ort führt zu betrieblichen Erfolgen
- Charisma betrieblicher Akteure mit betrieblichen Erfolgen (PR, BR) verbindet sich sehr schnell mit Funktion im Verband (Vorsitzende/r, Arbeitskampfleiter/in usw.)
- führende Personen vor Ort punkten mit hohem persönlichen Einsatz (oder als hoch wahrgenommenen Einsatz)
Schwächen ver.di:
- ehrgeizige Personen bei ver.di ohne Perspektive im PR, BR, im Verband suchen und finden Alternativen bei der Konkurrenz
- Funktionäre/innen nicht offen für neue Kollegen/innen, neue Ideen (Platzhirschverhalten)
- Gremien wirken wie closed shops
- Präsens zentraler ver.di-Funktionäre/innen vor Ort (in den Abteilungen etc.) wird als unzureichend wahrgenommen
- umständliche oder unverständliche und schlecht organisierte Kommunikation in Betriebe und Verwaltungen bzw. direkt an Mitglieder
- Funktionäre/innen verstehen sich nicht als Multiplikatoren für ver.di
- betriebliche Aktive bewegen sich wenig ohne Zuarbeit durch Hauptamtliche
- in Relation hoher Beitrag entspricht nicht immer der Servicequalität
Was tun?
Material:
- Infobroschüre digital über konkurrierende Verbände: Übersicht; Informationen über deren Arbeit; Gegenüberstellung ver.di und andere Organisationen; Übersicht Handlungsmöglichkeiten
- Kurzform obiger Broschüre als Leporello
- Bearbeitung ver.di-Broschüre „Vorteil für Mitglieder“ – attraktiver, prägnanter, kürzer (?)
- Kurzspots ver.di – lustig, kreativ, schrill
konzeptionell:
- Konzept BU (Bearbeitung des Konzepts Peine-Salzgitter aus 2015)
- Konzept Seminar
- Liste Teamer/innen für BU bzw. Seminar
- Konzept betriebliches Vorgehen: Konzeption, Checklisten, Analysemethoden, Handlungsschritte
strukturell:
- Arbeitsauftrag LBV
Begleit-AG auf Landesebene (haupt- und ehrenamtlich) - personelle Verantwortung im LBZ
- finanzielle Erfordernisse und Finanzierung
Pilot: Entwicklungsprojekt
Dieser Vorschlag ist geleitet von der Einschätzung, dass eine erfolgreiche Gegenwehr und vor allem eine Wiedergewinnung verlorenen betrieblichen Terrains nur unter bestimmten Voraussetzungen zu gewährleisten ist. Dazu siehe unten.
Außen vor gelassen habe ich Unwägbarkeiten oder Glücksfälle wie den Wegfall tragender Personen bei unseren Gegnern, einen Totalausfall unserer Gegner in wichtigen betrieblichen Fragen, die zu einer Rückkehr zu ver.di führt oder die glückliche Situation, dass starke, charismatische Persönlichkeiten unsererseits zu einer Kehrtwende in der Mitgliederentwicklung und in der betrieblichen Interessensvertretung führen. Diese Einflüsse sind (bis auf den letzten Punkt) unsererseits nicht steuerbar (und auch beim Thema zentrale Persönlichkeiten nur mittelbar zu beeinflussen).
Thesen zu den möglichen Erfolgsfaktoren:
- Die Frage eines Erfolges gegen ein weiteres Vordringen gegnerischer Verbände sowohl bei unseren Mitgliedern, bei nicht Organsierten und in den Gremien der betrieblichen Interessensvertretung wird im Betrieb und in der betrieblichen gewerkschaftlichen Arbeit entschieden. Rahmenbedingungen wie Beitragshöhe, Werbemitteleinsatz, materielle Anreize sind z.T. nicht gestaltbar, werden aber auch z.T. überbewertet.
- Betriebliche Handlungsansätze brauchen eine innere Leitschnur, eine Vorstellung, eine Haltung. Diese müssen gemeinsam mit den Ehrenamtlichen im Betrieb entwickelt werden. D.h. aber auch, ohne aktive Ehrenamtliche, die bereit sind, ihre Arbeit neu auszurichten, wird es nur wenig Erfolge geben.
- Ein betrieblicher Handlungsansatz braucht einen langen Atem, d.h. er braucht Zeit: Erfolge (bei der Mitgliederentwicklung, in der Vertretung in den betrieblichen Gremien) wird es nur in einer Langzeitperspektive geben können. Aus meiner Sicht ist ein angemessener Zeitraum einer von zwei bis drei Jahren, d.h. verbunden mit der Orientierung auf eine nächste Personalrats- bzw. Betriebsratswahl.
- Betriebliche Konzepte fallen nicht vom Himmel, entwickeln sich nicht automatisch aus dem Status quo und sind nicht selbsttragend. (Wenn dem so wäre, bräuchte es auch diese Überlegungen nicht).
- Erfolgreiche Wiederaufbauprojekte brauchen kontinuierliche und qualifizierte hautamtliche Zuarbeit: Konzeptentwicklung, Zuarbeit zu Handlungsschritten, organisierte Selbstreflexion, Beisteuern von Knowhow, Austausch und Vermittlung mit anderen betrieblich Aktiven etc.
- Es braucht materielle Ressourcen: Seminar oder BU, Räume für Treffen, Medieneinsatz, Werbematerial, Veranstaltungen usw.
- Wiederaufbauprojekte können kein Bestandteil der hautamtlichen Regelarbeit sein: unzureichende Zeitbudgets, Unterbrechungen durch Tarifrunden, Konkurrenz durch unterschiedliche Anforderungen aus dem Fachbereich, unzureichende Spezialkompetenz usw.